Wir leben, hier in Österreich oder Deutschland, in einer modernen Gesellschaft. Können tagtäglich in der Dusche das heiße Wasser aufdrehen, haben in der Regel ausreichend zu essen und zu trinken und in vielen Fällen ein privates wie berufliches Umfeld, das uns erfüllt. Und trotzdem werden wir uns bei den scheinbar einfachsten Themen nicht einig. Woran liegt das?
Am aktuellsten schwirrt mir zu dieser Grundproblematik wieder einmal das Thema der Abtreibung durch den Kopf. Unter dem gewichtigen Spruch „my body, my choice“ – ihr habt mit Sicherheit schon einmal davon gehört oder zumindest gelesen – setzen sich zahlreiche Frauen dafür ein, dass es ihre Entscheidung sei, ob sie sich für oder gegen das Kind in ihrem Leib entscheiden. Doch mit welchem Recht eigentlich? Wie ich es drehe und wende, ich finde das nötige Gleichgewicht in dieser Sache einfach nicht, um mit ruhigem Gewissen sagen zu können, dass hier wirklich die Gerechtigkeit an erster Stelle steht. Denn das tut sie nicht. Dieser Spruch ist nur ein makabrer Versuch egoistischer Frauen, die biologische Funktion der Fortpflanzung schlecht zu reden. Wozu das Ganze? Um unbehelligt Sex haben zu können und im Fall der schiefgegangenen Verhütung keine Verantwortung übernehmen zu müssen? So funktioniert das Prinzip der Fortpflanzung nunmal nicht.
Ich bin gegen die Abtreibung
Das bedeutet jedoch nicht, dass ich es anderen Frauen nicht zugestehe. Jeder ist für sein eigenes Karma verantwortlich. Womit ich allerdings ein Problem habe, sind die scheinheiligen Versuche der Rechtfertigung, die im Zuge derartiger Diskussionen oft hervorkommen – nur, um sich den eigenen Egoismus, die eigene Ichbezogenheit nicht vor Augen halten zu müssen.
Ich selbst möchte keine Kinder. Sollte es wider Erwarten dennoch passieren, so bringe ich es zur Welt und werde ihm eine großartige Mutter sein. Etwas, das ich von vornherein mit meinem Partner besprochen habe.
Mir ist bewusst, dass es zu einer solchen Thematik keine Kompromisse geben kann. Keine Beziehung funktioniert, wenn einer der beiden ein Kind will, der andere jedoch nicht. Aus diesem Grund bespricht man dieses gewichtige Thema auch, bevor es so richtig ernst miteinander wird. Dieses Gespräch aufzuschieben, ist weder in irgendeiner Form hilfreich, noch ändert es etwas an der Ausgangssituation in dieser Beziehung. Ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, der sich plötzlich, so ganz aus dem Nichts, einfach in dieser Sache umentschieden hat. Es gibt keine sagenhafte, biologische Uhr, die an Tag X zur ersten Stunde zu ticken beginnt. Entweder, man hat einen Kinderwunsch – oder eben nicht.
Es ist ein ewiges Ungleichgewicht
Wir leben in einer Gesellschaft, die Frauen belächelt und sie nicht ernst nimmt, wenn sie keine Kinder möchten. Und in der die Väter von vornherein benachteiligt werden.
Die Frau soll entscheiden dürfen, ob sie das Kind austragen möchte, oder nicht. Ob der zeugende Mann eine Meinung dazu hat, oder nicht – er hat damit Pech gehabt. Entscheidet sich die Frau dagegen, so muss auch er damit klarkommen, ein Leben ausgelöscht zu haben, ehe es das Licht dieser Welt erblickt hat. Entscheidet sich die Frau jedoch dafür und möchte er es nicht, wird er trotzdem zur Kasse gebeten. Ob er dadurch Existenzprobleme bekommen wird, ist völlig egal. Er hat das Kind gezeugt, also soll er nun auch Verantwortung dafür übernehmen.
Entscheidet sich ein Mann gegen die Familie, die im Begriff ist, zu entstehen, wird er für immer gebrandmarkt sein. Selten hört oder liest man davon, dass seine Entscheidung, nicht länger Teil dieses Lebensabschnittes zu sein, respektiert wurde. Schon im jungen Alter lernen die Kinder stattdessen, einen Menschen zu hassen, den sie nie kennengelernt haben – und es auch nie tun werden.
Darüber hinaus genießen alleinerziehende Väter einen ganz besonderen Status, in dem ihnen beim geringsten Problem Unfähigkeit unterstellt wird. Ämter sind meist Pro-Mutter eingestellt und nur mit sehr viel Glück und einem sehr hohen Budget für einen exzellenten Anwalt stehen die Chancen im Sorgerechtsstreit gut für ihn. Oft ist das selbst dann der Fall, wenn dem Jugendamt jegliche Missetat der Mutter bekannt ist. Jegliche emotionale Vernachlässigung ihrerseits wird ignoriert und schöngeredet. Nur, weil sie sich dazu entschieden hat, nicht abzutreiben. Derartige Familienzerwürfnisse sind keine Einzelfälle – seht euch im Internet oder in eurem privaten Umfeld um.
Abtreibung ist Mord
Bis zu einem gewissen Alter des Fötus ist es kein Mord im biologischen Sinne. Ethisch betrachtet ist er es zu diesem Zeitpunkt bereits.
Im Buddhismus ist die Abtreibung ein Akt des Mordes, da die Seele dem Körper von der ersten Sekunde an innewohnt. Das Christentum sieht das ebenfalls so. Im Islam ist es nicht des Menschen Entscheidung, wer kommen und wer gehen darf.
Treten wir einen Schritt weg von religiösen Ansichten und wenden wir uns der reinen Biologie zu, so handeln wir gegen unseren Urinstinkt, wenn wir nicht der Fortpflanzung nachgehen.
Alles um uns herum spricht gegen die Abtreibung – warum sollte man das also tun?
Eine Frage der Verantwortung
Ich entscheide mich als Frau bewusst dazu, Sex zu haben. Dadurch gehe ich das Risiko einer Empfängnis ein. Nur eine einzige Verhütungsmethode ist zu 100% sicher – die operative Entnahme der Gebärmutter. Kein Eingriff, den ein Arzt so ohne Weiteres durchführen würde – und ungefährlich ist er auch nicht.
Selbst, wenn eine Chance von 1 zu 1 Mio besteht, gehe ich als sexuell aktive Frau das Risiko ein, schwanger zu werden. Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Eine makabre Form von russischem Roulette, bei dem am Ende nicht ich diejenige bin, deren Leben beendet wird, bevor es begonnen hat. Was um alles in der Welt gibt mir das Recht, in dieser Sache Gott zu spielen? Ich fordere damit das Schicksal heraus – eine Sache, die niemand von uns bislang zu verstehen gelernt hat. Einfach, weil ich keine Lust habe, Verantwortung zu übernehmen?
Das Leben ist eine einzige Verantwortung. Ich kann mich genauso wenig ins Auto setzen, losfahren, einen Unfall verursachen, anschließend beteuern, dass die zwei Todesopfer, die es dabei gegeben hat, niemals meine Absicht waren und dann einfach weiterleben, als wäre das nie passiert. Am Ende war es trotzdem ich, die sich nach einer bewussten Entscheidung dazu hinter das Steuer gesetzt hat. Trotz dem Wissen um alle potentiellen Gefahren, denen ich dadurch mich und mein gesamtes Umfeld ausliefere.
Ich entscheide mich ebenso aktiv dafür, der Person mir gegenüber zu sagen, was ich über sie denke. So schmerzlich das auch für sie sein mag. Nimmt sie sich daraufhin das Leben, da sie diese Worte nicht ertragen hat, so war es trotzdem meine Entscheidung, sie auszusprechen. Trotz dem Wissen, welchen Schmerz Worte verursachen können – auch ohne Depressionen.
Das waren zwar zwei extreme Beispiele, aber ihr versteht trotz allem, was ich damit vermitteln möchte: Ein einziger Augenblick genügt und die Entscheidung, die wir vor Minuten, Tagen oder auch Jahren getroffen haben, fördert eine Konsequenz zu Tage, die uns nicht gefällt. Die nicht in unseren Lebensplan passt und die wir gerne ausradieren würden. Aber so ist das mit der Verantwortung nunmal. Sie lässt sich nicht einfach so abgeben, wie eine Jacke an der Garderobe. Schon gar nicht im moralischen Sinn.
Kein Respekt für Pro-Abtreibung
Ich respektiere keine Menschen, die sich ihrer Verantwortung so egoistisch entziehen und dadurch auch keinerlei Wertschätzung dem Leben und ihrem Partner gegenüber haben. Genauso wenig respektiere ich jene Frauen, die sich über den Wunsch des Partners hinwegsetzen und ihn in das Schema des verhassten Vaters zwingen.
Trotz allem gibt es Situationen, in denen ich den Wunsch zur Abtreibung nachvollziehen und auch respektieren kann. Bei einer Eileiterschwangerschaft beispielsweise, oder bei einem angeborenen Herzfehler. Beides kann (und wird in den meisten Fällen) für die Mutter und das Kind tödlich enden. Oder, wenn man durch eine Vergewaltigung schwanger wurde, was je nach Schwere des erlittenen Traumas zu schlimmen psychischen Problemen führen kann. Niemals werde ich es jedoch als Alternative zur missglückten oder gar nicht vorgenommenen Verhütung anerkennen.
Eine Schwangerschaft ist kein Zuckerschlecken
Genauso wenig, wie es die Zeit danach sein wird, wenn eine Frau, die neun harte Monate hinter sich hat, in denen ihr Körper völlig verrücktspielte und nicht ihrem Willen entsprechend gehorchte, einen schreienden Säugling zu pflegen hat. Von sogenannten Schreibabys brauche ich gar nicht erst zu reden. Jeder kann sich vorstellen, wie psychisch zermürbend so etwas sein muss.
Der für mich wichtigste Grund, weshalb ich kein eigenes Kind möchte, ist die Tatsache, dass ich keine Lust darauf habe, meine Träume und Wünsche ad acta zu legen, denn das käme einer völligen Selbstaufgabe für mich gleich. Das, was ich mir vom Leben erwarte, lässt sich nicht mit einem Kind verwirklichen. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass es als potentielles Elternteil nicht mein Recht sein sollte, mir anzumaßen, einen Menschen in ein für ihn vorausgeplantes Leben zu setzen. Ganz im Gegenteil müsste ich mir im Falle einer Schwangerschaft die Frage stellen, wie ich in das Leben meines Kindes passen würde. Es hat nicht mehr nur Relevanz, was ich und was mein Partner für Träume und Ziele im Leben haben. Da ist dann noch eine Person, die ein selbständiges Köpfchen hat und dessen Wünsche mit ihm wachsen werden.
Kinder sind kein Luxusgut, mit dem wir unser Leben bestücken, wenn alles andere zu langweilig wird. Genauso wenig sollten sie das Resultat einer unbedachten Entscheidung sein. Sie sind eine lebenslange Verantwortung. Eine begrenzte Zeit lang monetär, jedoch immer auf emotionaler und menschlicher Basis. Darum mag ich übrigens auch den Ausdruck „Wunschkind“ nicht besonders, aber das ist wieder ein anderes Thema.
Abtreibung rettet Leben?
Eine der prekärsten Antworten, die ich letztens zu einem Tweet mit den Worten „adoption saves lifes“ gelesen habe, lautete: „so does abortion“
Abgesehen davon, dass es, wie zuvor erwähnt, gewisse Umstände gibt, in denen das tatsächlich zutreffen wird, ist das nicht die Regel. Zudem kann ich mir nach dem Durchforsten des Profils besagter Person – und damit der Sichtung vieler weiterer Kommentare zu diesem Thema – beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie das damit meinte. Ein Blick auf Twitter in die Sektion von #mybodymychoice zeigt übrigens auch ohne lange Suche erschreckende Postings von männerhassenden Frauen, die sich unter den Deckmantel des Feminismus schummeln oder von egozentrischen Damen, die über die Bedeutung des Wortes Leben wohl noch nicht länger, als fünf Minuten nachgedacht haben.
Debatten darüber, ob eine Abtreibung moralisch akzeptabel ist oder nicht, wird es immer geben. Am meisten setzt mir persönlich das rege Ungleichgewicht zwischen Ignoranz und Realismus zu. Die einen tun’s und leben dann damit, die andern protestieren laut und deutlich mit Argumenten, die oft gar keinen wirklichen Sinn ergeben. Hauptsache, sie nehmen an der Diskussion teil und beleidigen im Rundumschlag nebenher mal eben alle, die nicht ihrer Meinung sind. Und das, obwohl sie paradoxerweise im Grunde gar keine wirkliche Meinung dazu haben. Wie immer werden aber diejenigen, für die das Thema wirklich relevant wäre, zu größten Teilen außen vorgelassen.
Was sagt ihr zu dem Thema? Seht ihr das wie ich, oder entspricht eure Meinung dem völligen Gegenteil? Ich bin gespannt, was ihr zu dem Thema mit mir und den anderen Lesern teilen möchtet!