Autisten haben keine Empathie, darum tun sie sich auch erst so schwer damit, von anderen Menschen richtig verstanden zu werden. Einen ähnlichen Satz schonmal gehört? Autistische Personen auf der ganzen Welt können sich gar nicht oft genug die Haare raufen, wenn es um die Sache mit der Empathie geht. Denn kaum ein Bereich wird so dermaßen stark zum Opfer von hartnäckigen Vorurteilen, wie dieser.
Aber wo fängt man hier an, aufzuklären? Bei der Art und Weise, wie Autisten in der Lage sind, Gefühle zu empfinden? Das funktioniert bei ihnen genauso, wie bei jedem anderen Menschen. Vielleicht bei der Frage danach, ob Autismus daran hindert, eine andere Person wirklich zu mögen und sie zu verstehen? Nein, das läuft auf dasselbe hinaus. Autistische Menschen sind durchaus zu all dem in der Lage.
Gehen wir die Sache doch vom theoretischen Aspekt an und fragen uns, was genau Empathie eigentlich ist. Dann fühlen wir dem vorherrschenden Missverständnis nämlich ganz schnell auf den Zahn.
Empathie – Eine Medaille mit zwei gleich gewichteten Seiten
Spricht man von Empathie, so ist bereits im ersten Moment ganz streng zu unterscheiden zwischen affektiver und kognitiver Empfindung. Denn das, was wir ganz gerne leichtfertig als Einfühlungsvermögen deklarieren, ist genau genommen ein mehrdimensionales und hochkomplexes Gebilde menschlicher Emotion.
Das menschliche Gehirn ist dazu in der Lage, visuell eindringende und gefühlsmäßig empfundene Reize voneinander zu differenzieren. Zumindest ist das der Regelfall. Bei einer Entwicklungsstörung, wie eben dem Autismus, kommt es dazu, dass visuelle Reize nur schwer bis gar nicht verarbeitet werden.
Affektive Empathie – Mitgefühl, Einfühlungsvermögen und Toleranz
Zwar mag das Gehirn einer autistischen Person einströmende Informationen völlig anders verarbeiten, doch die affektive Empathie bleibt immer die gleiche. Sie sind daher sehr wohl dazu in der Lage, Gefühle zu empfinden. Ob für sich selbst, für den näheren Umkreis an Personen oder die ganze Welt, macht dabei keinen Unterschied. So manches wird irrational und daher unwichtig erscheinen, doch wem geht es nicht manchmal so?
Da jedoch die Verarbeitung anders geschieht, da im Gehirn bereits vor der Geburt eine völlig andere Vernetzung stattgefunden hat, baut sich die affektive Empathie bei einem Autisten oft anders auf.
Anstatt zum Beispiel Mitleid mit einer Maus zu haben, die soeben von einer Schlange verspeist wird, erkennt der Autist diese Situation als Lauf der Natur und damit völlig in Ordnung an. Betrachtet man das nun völlig rational, wird man überrascht feststellen, dass er Recht hat. Auf der anderen Seite empfindet ein Autist sehr wohl Mitleid mit einem Kind, dem soeben das Eis zu Boden gesegelt ist. Denn auch dann, wenn so eine Situation noch nicht selbst erlebt wurde, sieht er durch das bittere Weinen, dass das soeben ein kritischer Moment sein muss. Ob er nun mit dieser Information umzugehen weiß, ist dann wieder eine ganz andere Sache. Aber er ist grundsätzlich in der Lage dazu, diese Information entgegenzunehmen und sie auch richtig anzuerkennen.
Affektive Empathie wird im Übrigen auch als emotionale Empathie bezeichnet.
Kognitive Empathie – zu wissen, wie man in welcher Situation handeln muss
Die kognitive Empathie hingegen ist etwas, über das ein Großteil autistischer Personen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt verfügt. Ja, richtig gelesen. Das bedeutet, dass wiederum einige Autisten auch dazu in der Lage sind, kognitive Empathie zu entwickeln. Doch worum geht es hier genau?
Es ist die Fähigkeit, ein Muster in etwas erkennen zu können. Ob das in einem gesprochenen Satz oder in wortlosen Handlungen ist, macht dabei absolut keinen Unterschied.
Mit anderen Worten ist es bei fehlender kognitiver Empathie kaum bis gar nicht möglich, etwas zwischen den Zeilen herauszulesen. Alles, was gesprochen wird, kommt wörtlich beim Empfänger an. Aber auch Gesichtsausdrücke können davon betroffen sein, sodass ohne ganz eindeutige Signale, wie Lachen, Tränen oder einem aggressiven Unterton in der Stimme keine Schlussfolgerung über die Laune stattfinden kann. Selbst dann kommt es oft noch zu Fehlern, denn man kann auch Tränen vergießen, weil man so viel lacht – ganz, ohne dabei Trauer zu verspüren.
Betroffene haben dabei oft selbst das Problem, die eigenen Emotionen nicht richtig zuordnen zu können.
Wie geht man mit einer Person um, die über keine kognitive Empathie verfügt?
Eine Wesensveränderung in dem Sinn ist das nicht, dementsprechend ist auch alles halb so wild. Dieser Angelegenheit wird oftmals viel mehr Macht verliehen, als sie wirklich hat.
Möchte man mit einem Autisten kommunizieren, so teilt man sich ihm am besten stets so eindeutig, wie nur möglich mit. Im Falle eines Missverständnisses reagiert man mit Einfühlungsvermögen und erkennt am besten, dass der Fehler in der Kommunikation liegt. Letzten Endes geht es aber niemals darum, einen Schuldigen zu suchen, sondern aus diesem Fehler zu lernen. Denn so funktioniert Empathie nunmal.