Ein klitzekleiner Moment, in dem man nicht aufgepasst hat und schon ist eine Aussage gemacht, die jemanden zutiefst trifft. Worte sind unglaubliche Waffen und leider scheint sich unsere Gesellschaft nach wie vor nicht ganz so bewusst darüber zu sein. Es ist ein Facebook-Post gewesen, der mir den Anlass gegeben hat, diesen Blogeintrag zu verfassen und mit euch über ein sehr wichtiges Thema zu sprechen: Rücksicht.
Im Detail geht es um einen sensationsgeilen Post in einer der vielen hundert Gruppen, denen ich auf Facebook folge. Jemand schrieb daraufhin, dass es doch schrecklich wäre, wie dumm sich die Menschen verhalten würden. Und dass er doch dachte, die Welt würde stattdessen immer intelligenter, aber weit gefehlt. Eine zweite Person kommt hinzu und beginnt die Rechtschreibung des zuvor Kommentierenden zu kritisieren. Genau, denn die Dummheit würde ja bei der Rechtschreibung beginnen. Die Antwort des ersten Herren hat mich getroffen. Er schrieb, dass sein Gesprächspartner hoffentlich nie einen Schlaganfall hätte, denn womöglich würde er dann auch nicht mehr in der Lage sein, die Rechtschreibung vollständig zu beherrschen.
Wann nur ist dieser eine Zeitpunkt gekommen, an dem wir Menschen begonnen haben, so voreilig über alles zu urteilen? So oft höre ich, dass jemand einfach eine Vermutung, die er hat, zur einhundertprozentigen Tatsache für sich macht. Ohne den zweiten, daran beteiligten Menschen zu fragen, ob dem überhaupt wirklich so ist. Anstatt zu fragen, woran es liegen könnte, dass eine Rechtschreibproblematik besteht, wird jemand einfach als dumm bezeichnet. Er könnte obdachlos gewesen sein, bis zu seinem 35. Lebensjahr. Analphabet, der erst kürzlich zu lesen und zu schreiben gelernt hat, völlig stolz darüber, das noch in seinem Leben geschafft zu haben. Und dann kommt jemand her und bezeichnet ihn als dumm. Er könnte hochbegabt sein, aber in so extrem ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen sein, dass genau mein Beispiel zutreffen könnte. Könnte. Oder aber er könnte auch einen Schlaganfall gehabt haben. Der ihn dazu gezwungen hat, das Lesen, Schreiben und vielleicht sogar das Sprechen neu zu erlernen, was auch nicht viel besser als in meinem Beispiel ist. Was ja auch ganz offensichtlich nach seinen Worten zutrifft.
Ein Mensch, der gereizt reagiert, wird oft sofort als zu zart besaitet angesehen. Als jemand, der sich doch bloß nicht so aufregen sollte, denn man habe doch nur XY gefragt. Dass er aber vielleicht einen ganz miesen Tag hinter sich hat, sein Hund gerade eingeschläfert worden ist und seine Freundin andauernd mit ihm streitet, Geldprobleme seine Existenz bedrohen und er sich um seinen Bruder sorgt, der wegen einer schweren Operation im Krankenhaus liegt, daran denkt keiner. Nur ein einziger negativer Faktor der vorgenannten könnte zutreffen und es würde den Menschen vielleicht so sehr belasten, dass er zu jedem zickig sein muss, um nicht auf der Stelle loszuheulen.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich das Grundprinzip eingefunden hat, dass alles immer nach einem einzigen Schema ablaufen muss und zwar nur nach dem, das man selbst kennt und auch in seinem Leben anwendet.
Könnt ihr euch noch an den Kurzfilm erinnern, den ich vor einigen Monaten einmal mit ein paar anderen gesellschaftskritischen Videos gepostet habe? Was wisst ihr denn eigentlich schon davon? Hier noch einmal, da es doch so gut zum Thema passt:
Es wird wirklich Zeit, dass unsere Gesellschaft damit aufhört, ständig anderen etwas aufzuzwingen, das nicht ist. Dass wir beginnen, anderern zuzuhören, anstatt für sie zu sprechen, ohne von ihnen zum stellvertretenden Sprecher ernannt worden zu sein. Es wird Zeit, dass wir beginnen, nachzufragen, ehe wir womöglich kränkende Behauptungen aufstellen.
Das ist ein Teil von Nächstenliebe. Respekt auf höchster Ebene.