Thomas Angermann ist diplomierter Ernährungstrainer, Autor und Coach. Im nachfolgenden Gastartikel zeigt er uns auf, wie man Handysucht erkennen kann und was man dann dagegen tun kann. Ich bin gespannt – wie sieht’s mit euch aus? Wie oft musstet ihr euch ertappt ducken? Tom & ich freuen sich auf euer Feedback! Nun aber zu seinem Gastbeitrag.
Handysucht ist bisher kaum erforscht, doch die Symptome sind recht eindeutig. Smartphones haben ein gewisses Suchtpotenzial. Im Gehirn spielen sich Mechanismen ab wie sonst bei Glücksspielen. Das Glückshormon Dopamin wird ausgeschüttet und bewirkt, dass immer wieder zum Display gegriffen wird, auch wenn man gerade eigentlich etwas Anderes erledigen sollte.
Die eigene Disziplin kommt zum Erliegen und es animiert immer wieder zur Handlung – das ist das Aktivieren des Displays und zur Belohnung gibt es eine Überraschung, eben das neueste Partyfoto, einen Like bei Facebook oder das nächste Level beim Online-Game.
Mit dem Smartphone ist einiges möglich: Surfen, Spielen, Chatten oder den Lebenspartner suchen. Wer die Smartphone-Nutzung überhand nehmen lässt, wird irgendwann Sklave seiner Gewohnheiten. So wie Glücksspiele Menschen abhängig machen können, können es auch Handys!
Handysucht Symptome?
Ist man schon abhängig, wenn man häufiger aufs Display schaut? Nicht unbedingt, Sorgen machen muss man sich aber dann, wenn sich alles nur noch um das Gerät dreht und man sogar angenehme Tätigkeiten abbricht, um aufs Display zu schauen.
Es gibt gewisse Risikofaktoren, wie das Ablenken in Stresssituationen oder das Liegenlassen anstehender Aufgaben. Sollten durch die ständige Beschäftigung mit dem Handy soziale Kontakte abgebrochen, Hobbies aufgegeben werden oder eine ungestörte Unterhaltung nicht mehr möglich sein, ist Gefahr im Verzug!
Handysucht Auswirkungen
Anders als beim „Daddelautomaten“ und z.B. Gaming-PC kann das Handy ständig mitgenommen werden, so ergeben sich auch keine naturgemäßen Pausen mehr. Desto wichtiger ist es, genaue Nutzungszeiten zu definieren.
Nach Meinung diverser Suchtexperten besteht kein Suchtproblem, wenn zwar stundenlang gechattet wird, aber trotzdem Schule und Job geschafft werden und auch Sportvereine, Treffen mit Freunden und Familie u.ä. nicht vernachlässigt werden.
Trotzdem gibt es auch hier ein „Aber“. Wenn ständig aufs Handy gesehen wird, leiden Produktivität, Kreativität und Glücksempfinden darunter, warnt der Informatiker Alexander Markowetz. Eine von Markowetz entwickelte App namens „Menthal“ läuft inzwischen auf ca. 300.000 Smartphones und misst das Nutzungsverhalten des Besitzers. Die Aussagen sind zwar nicht repräsentativ, haben aber eine gewisse Aussagekraft.
Demzufolge sieht ein Nutzer 88-mal täglich aufs Handy und 53-mal erfolgt dann auch eine Aktion.
Die Folge der häufigen Unterbrechungen ist, dass die Konzentration gestört wird und damit natürlich das effektive Arbeiten schwerfällt.
Körperliche Gefahren
„Anti-Yoga“ nennt Markowetz dieses Verhalten. Beim Yoga wird eine orthopädisch gesehen wertvolle Position eingenommen und der Geist fokussiert. Beim Smartphone-Surfen ist das Gegenteil der Fall. Die Haltung ist absurd und man sucht nach Zerstreuung. Durch diese unnatürliche Haltung mit herunterhängendem Kopf entwickelt sich früher oder später der sogenannte „Handy-Nacken“.
Ist der Kopf um ca. 45 Grad gesenkt, wirken Kräfte bis zu 30 kg auf Rücken und Halswirbelsäule. Die Muskulatur verspannt sich, die Bänder sind andauernd gedehnt und der gesamte Bereich wird nicht mehr gut durchblutet.
Wenn hier nicht gegengewirkt wird, sind chronische Schmerzen im Schulter- und HWS-Bereich die Folge, einhergehend mit Verschleißerscheinungen, Kopfschmerzen und Schlafstörungen.
Video: Den Handy-Nacken loswerden von Liebscher & Bracht. Abgerufen am 06.09.2019
Nutzungskontrolle
Um Übersicht über die Nutzung zu bekommen, bedarf es mehr Selbstkontrolle und Achtsamkeit. Dabei kann ein Konsumtagebuch hilfreich sein. Eingetragen werden außer den Nutzungszeiten auch Aktivitäten, die man früher gern ausgeübt hat und auch gerne wieder aufnehmen würde. So kann genau festgestellt werden, wie viel Zeit das Handy einnimmt und welche Alternativmöglichkeiten es gibt.
Als kleine Hilfestellung rät Markowetz außerdem, das Handy möglichst überflüssig zu machen, indem man Wecker oder Armbanduhr nutzt statt der Handyfunktionen. Oder unterwegs das Gerät nicht am Körper mitnehmen, sondern weiter weg, etwa im Rucksack. Und am Bett oder auf dem Esstisch haben Handys garnichts verloren. Wer sich auf die Probe stellen möchte, versucht das Gerät einen ganzen Tag nicht zu nutzen. Klappt das ohne Probleme, hält sich die Nutzung im Rahmen.
Einfacher Trick, der helfen kann
Die New York Times titelte kürzlich“, das „Smartphone-Aufhören“ sei das neue „Rauchen aufhören“. Es gäbe einen einfachen Trick, der helfen soll, nämlich das Handy auf schwarz/weiß zu stellen. Das soll alles sein? Klingt zu einfach, ist auch nicht erwiesen.
Allerdings gibt es Personen, die bestätigen, dass sie ihr Smartphone dann nicht mehr so mögen. Wäre gut, denn somit bekämpft man seine Handysucht!
Weitere effektive Tipps
- Stumm schalten, auch die Hinweise der Apps und die Vibration abstellen. Jeder Ton verführt wieder zum Griff nach dem Gerät.
- Apps reduzieren. Abspecken nützt oder müssen es wirklich mehrere Messenger sein oder reicht auch einer?
- „Aus den Augen, aus dem Sinn“ hilft auch gegen die Handy-Sucht. „Verlegt“ euer Handy absichtlich, statt es immer dabei zu haben.
- Handy freie-Zonen. Bad, Schlafzimmer und Kinderzimmer sollten immer ohne Handy sein.
- „Sprechstunden“ Und auch mal offline sein. Die Zeit begrenzen, in der Mails und Nachrichten beantwortet werden. Wer nicht zu einer vernünftigen Zeit sein Anliegen mitteilen kann, braucht es auch nicht am späten Abend.
- Freunde/Familie informieren, dass man nur zu einer gewissen Zeit zu erreichen ist und nicht jede Mitteilung sofort beantwortet.
- Das Handy kompliziert sichern. Statt mit einfacher PIN oder Fingerabdruck ein möglichst kompliziertes Passwort wählen, das hält davon ab, ständig zu gucken. Man muss es dann aber auch einhalten! Sicher nicht so einfach.
- Apps gegen Smartphones. Hört sich absurd an, soll aber funktionieren.
Problem oder Hype?
Eine Studie besagt, dass die Hälfte aller „Millenials“(= ist die Bezeichnung für die um die Jahrtausendwende geborene Generation.) mehr als 50-mal pro Tag ihr Handy checken. Ca. 25 % der Millenials verbringen fünf Stunden und mehr damit.
- 27 % fühlen sich ohne Handy frustriert
- 26 % verloren
- 19% gestresst
- 16 % traurig
- 4 % würden für einen Monat ins Gefängnis gehen, um ihr Gerät nicht für ein Jahr abgeben zu müssen.
Quelle: https://www.presseportal.de/pm/112066/3638753
Definitionen in der Psychologie
Suchttherapeuten unterscheiden zwischen Gewohnheit, Abhängigkeit und Suchterkrankung. Während bei einer Gewohnheit das Verhalten noch relativ leicht verändert werden kann, stellt Abhängigkeit ein zwanghaftes Verhalten dar, das nicht mehr korrigiert werden kann. Die Betroffenen empfinden die Wirkung des Suchtmittels als existentiell.
Die Suchterkrankung beginnt dann, wenn diese Abhängigkeit das ganze Sein des Patienten beherrscht.
Ursachen der Handysucht
Sie werden mit dem „Vier-M-Modell“ (Mensch, Milieu, Markt, Mittel) beschrieben. Einbezogen werden außerdem
- psychische Aspekte: Labilität, Konfliktunfähigkeit, Einsamkeit
- soziales Umfeld: Familienverhältnisse, fehlende Bindungen
- Verfügbarkeit von Mitteln: hier elektronische Medien
- Von den Mitteln ausgehende Wirkungen: Euphorie, Entspannung
Es gibt auch viele Vorteile
Auf keinem Fall möchte ich euch Social Medien schlecht reden. Es gibt ein unheimliches Wissen, welches Google, Youtube und Co vermitteln können.
Jeder ist selbst verantwortlich welchen Inhalt er sich reinzieht. Es gibt Content der uns wissender macht und Content der einfach nur verblödet. Im heutigen Zeitalter kann man nahezu alles googeln und es gibt eigentlich zu jedem Thema Videos und ich finde das fantastisch um sein Wissen zu erweitern. Die Dosis macht das Gift. Wie immer!
Fazit
Wer also von euch den Eindruck hat, das Handy beherrscht ihn und nicht er das Handy, sollte sich eventuell Hilfe suchen und versuchen seine Gewohnheiten zu ändern.