Äußerst unkonventionell; oder zumindest mag es den meisten zunächst noch so scheinen. Die Dunkelziffer der Personen, die als Erwachsene noch als Nichtschwimmer gelten ist wesentlich höher, als oft angenommen wird. Woran das liegt, kann ich nicht so genau sagen. Betroffene werden schon ihre Gründe haben. In diesem Blogeintrag geht es um meinen Grund.
Nachfolgende Kurzinformationen mögen zunächst fehl am Platz wirken, doch lasst sie kurz auf euch einsacken: Meine Eltern hatten nicht viel Geld, als ich zur Welt gekommen bin. Wie lange sich diese Situation letzten Endes hingezogen hat, weiß ich nicht einmal so genau. Denn sie haben immer alles dafür gegeben, dass mein Bruder und ich nicht darunter zu leiden hatten (unsere anderen drei Geschwister sind Halbgeschwister, die haben davon kaum bis gar nichts mitbekommen). Jedoch konnten wir trotz allem nie auf Urlaub fahren. Für mich kein Thema, denn mittlerweile verdiene ich selbst genug Geld, um mir all die Träume irgendwann erfüllen zu können, die ich mir in Sachen Reiseziele gesetzt habe. Und wo ich bislang noch nicht gewesen bin aus welchem Grund auch immer… dafür war ich einfach noch nicht bereit. Die Zeit hierfür wird noch kommen, wenn es denn soweit ist. Aber das gehört tatsächlich zu einem ganz anderen Thema.
Der zweite Fakt, der hierfür wichtig ist: Meine Mutter ist chronisch krank. Das hat begonnen, als ich noch ein Kind war. Ich will gar nicht näher darauf eingehen, da es für mich so sehr zum Leben gehört, wie die Tatsache, dass ich immer ein Haustier hatte, seit ich vier Jahre alt gewesen bin. Jedenfalls hat dieser Umstand dann die Geldsorgen abgelöst als Grund dafür, warum wir nicht in den Urlaub gefahren sind.
Es erklärt sich daher ja von selbst, warum ich keine Gelegenheit hatte, wirklich zu schwimmen.
Aber ich hatte immer ein „Planschbecken„. Ein kleines Becken, in dem ich niemals untergehen konnte… :D
Ich war sechs Jahre alt, als wir mit der Grundschulklasse einen Ausflug ins Hallenbad machten. Meine Mutter hat mich an diesem Tag zur Schule begleitet, um der Lehrerin Schwimmflügel zu übergeben und sie über den Umstand zu informieren.
„Die braucht Barbara nicht. Wir haben eine eigene Schwimmlehrerin dabei.“
Obwohl es nun mehr als 20 Jahre her ist kann ich mich an jedes einzelne Wort erinnern, so einschneidend war der Tag in meinem Leben. Kein Wunder: Um ein Haar wäre er mein letzter gewesen.
Das Becken war bis zu 1,80m tief. Ich war in dem Alter… 1,20? Wenn überhaupt? Damals war ich winzig. Bis zu meinem 14ten Lebensjahr war ich bloß 1,50m groß – und heute bin ich mit meinen 1,62m auch noch immer nicht riesig.
Ein Mitschüler aus meiner Klasse hat sich am Rand des Beckens entlanggehangelt und ich hab es ihm nachgemacht. Erschien mir als eine gute Alternative dazu, nicht zu ertrinken… Immerhin war die Anweisung der Lehrerin, dass wir von einem zum anderen Ende sollen.
Meine Klassenlehrerin dreht sich zu uns um, sieht mich direkt an.
„Barbara, lass den Rand los.“
Ich war ein braves Kind. Zu widersprechen habe ich erst gelernt, als mir zu viele Leute zu oft wehgetan haben. Also ließ ich los. Im selben Moment sah ich noch, wie sich die Frau von mir weggedreht hat. Und dann war überall um mich herum nur noch Wasser.
Sofort schloss ich die Augen, weil es unerträglich war, wie das Chlor gebrannt hatte. Mir war nicht bewusst, was ich tat, also stieß ich augenblicklich jeden Atemzug aus meiner Lunge.
Meine Arme streckte ich nach oben, weil ich wusste, mich würde sonst niemand bemerken. Es hat einige Sekunden gedauert, bis dann eine Hand nach meiner gegriffen hat… und es war die einer Mitschülerin. Die Lehrerin hat sich in der Zeit nämlich blendend mit der extra Schwimmlehrerin beim Plausch über sonst was unterhalten.
Meine Mutter ist zur Furie geworden. Sie wäre dem Schuldirektor fast über den Tisch entgegen geklettert und ihm an den Kragen gegangen, wäre mein Vater nicht gewesen. Sie hat gedroht, die Geschichte an die Zeitung zu berichten, es wäre ein riesen Skandal für die Schule gewesen. Ich war die gesamte Schulzeit über vom Schwimmunterricht befreit, weil ich so ein Trauma davongetragen habe.
Mehrere Male hatten wir versucht, mich an das Wasser zu gewöhnen, mir die Angst davor zu nehmen. Knapp ein, zwei Wochen nach diesem Vorfall sind meine Eltern mit mir in ein Hallenbad gefahren – mein Vater war ein unglaublich guter Schwimmer, bis seine rechte Hand nachließ und er seither die Finger davon nicht mehr richtig bewegen kann. Doch ich habe mich an eine Greifstange festgeklettet und geschrieen, als würde er mich töten. Das ganze Hallenbad ist in dem Moment zusammengelaufen, um nachzusehen, was da passiert. Ich hatte schreckliche Angst.
Mit 14 bin ich in den Pool von einem guten Freund gefallen. Fünf Personen sind hinterher gesprungen, um mich aus dem Wasser zu fischen. Zwischendurch hatte ich drei Versuche gestartet, die Angst vorm Wasser zu verlieren. Bin ich nur ein einziges Mal mit dem Kopf untergetaucht, war die Panik wieder da.
„Das ist mein ultimativer Liebesbeweis. Ich vertraue dir mein Leben an…“
Mein Freund ist auch ein großartiger Schwimmer. Sechs Jahre Beziehung haben es letzten Endes geschafft, dass ich einer Person genug vertraut habe, dass ich aus dem Wasser geholt werde, wenn ich untergehe… Und in nur einem Anlauf hat er es geschafft, mir die Angst zu nehmen und mir gleichsam beizubringen, wie ich auf dem Wasser treibe & mich hochbewege, wenn ich denn untergehe… Mit nur einem Anlauf verdammt.
Ich kann es noch immer nicht perfekt, oh hell no. Aber das ist ein riesen Schritt gewesen und grundsätzlich laufe ich nicht länger Gefahr, sofort zu ertrinken, wenn ich Mal in einen Pool falle oder sonst was passiert. Wir werden jetzt natürlich regelmäßig üben, bis ich es richtig kann. Der Rest ist eigentlich bloß noch learning by doing, aber es fühlt sich tausend Mal sicherer an, wenn er bei mir ist.
Weder meine Schwägerin, noch mein Bruder, noch sonst jemand, der mir gut bekannt ist, hat es bisher geschafft, mir die Angst zu nehmen. Nichtmal Diana traue ich, was das angeht. Darum ist es auch, so finde ich, ein ultimativer Liebesbeweis. Ich weiß nicht, warum das so ist. Aber es fühlt sich richtig an. Und ich bin irgendwie glücklich, dass ich jetzt mit 27 Jahren doch noch lerne, wie man schwimmt… :D