Mir ist gerade aufgefallen, dass wir heute den 15. April haben! Und wisst ihr, was an diesem Tag noch ist? Mitte April! Und April ist AUTISM AWARENESS Month! Meinereins will also erneut die Gelegenheit nutzen und Aufmerksamkeit für ein Thema schaffen, über das noch immer viel zu viele Fehlinformationen vorherrschen. Lest euch einfach meine Artikel zum Thema Autismus durch, ihr findet sie alle hier!
Verfasst habe ich sie erstmals im Jahr 2017, vor genau vier Jahren. Da habe ich nämlich eine Fehldiagnose erhalten, und von der will ich euch heute erzählen. Denn mich erreichen immer wieder Fragen, warum ich denn eigentlich so viele Kenntnisse über das Thema habe, neben vielen superlieben Dankesworten von autistischen Personen. Mein allererster Blogartikel zu dem Thema wurde sogar mehrfach als Unterrichtsmaterial verwendet! Ich freue mich riesig, dass ich in dieser Hinsicht helfen kann.
Und aus genau dem Grund sind die Artikel auch alle noch online und genau deshalb mache ich immer mal wieder mit einem neuen Beitrag weiter, sobald mir etwas Sinnvolles einfällt, um dem Thema Aufmerksamkeit zu verleihen. Wie heute eben!
Aber nun zu meiner kleinen Storytime.
Ich war seit ~2008 in psychotherapeutischer Behandlung
Allerdings wegen etwas völlig anderem.
Wie ja einige meiner Leser wissen, hat es in meinem Leben einmal einige schlimme Ereignisse gegeben, über die ich nicht öffentlich sprechen möchte. Nur so viel: Sie haben mich traumatisiert, und zwar schwer.
Bis zum heutigen Tag bin ich mit fünf verschiedenen Therapeuten und Ärzten in Kontakt gekommen, das letzte Mal ist nun schon gute drei Jahre her. Dennoch sind es damit knappe zehn Jahre gewesen, durch die ich auch entsprechende Kenntnisse über solche Thematiken sammeln konnte. Ich schätze, ich werde Traumata als nächste Kategorie auf diesem Blog in Angriff nehmen, das klingt nach einem Plan.
Jedenfalls: Eines Tages war ich der Meinung, dass ich mich wohl mal durchchecken lassen sollte, ob bei mir alles stimmt. Ich verstehe nämlich keinen Sarkasmus, eine von vielen vielen Begleiterscheinungen der Autismus-Spektrumstörung. Allerdings kann das auch einen Hinweis auf einen Hirntumor sein!
Doch schnell die gute Nachricht: Ich bin gesund, kein Tumor.
Die Neugier meines Arztes war nun aber geweckt. Ich wurde genauer befragt. Wie ich darauf käme, dass etwas nicht stimmt mit mir und ob das alles sei. Es wurde in meiner Vergangenheit gewühlt und festgestellt, dass ich ein sehr eigenartiges Kind gewesen bin. Zwar sehr sozial, aber dennoch auch ein Außenseiter.
Da die mich traumatisierenden Ereignisse im Teenageralter stattgefunden haben, war es nur sehr schwer auszumachen, seit wann ich Probleme damit hatte, mit Emotionen umzugehen. Allem voran mit Wut. Ich brauche übermäßig lange, um mich abzuregen, wenn ich über etwas wütend geworden bin und vor rund zehn Jahren hatte ich richtige Wutanfälle. In denen zerstörte ich dann Gegenstände, um mich nicht selbst zu verletzen. Merkt euch das – darauf komme ich nämlich gleich nochmal zurück.
Ich machte einen Intelligenztest bei meinem Arzt. Das Ergebnis: Ich bin hochbegabt, mein IQ ist überdurchschnittlich hoch. Da meine Hochbegabung – wie sich nun viele sicher denken können – im kreativen Bereich besonders ausgeprägt ist, hat das einfach nie wer gemerkt. Meine Eltern dachten immer, ich sei einfach sprachtalentiert. Dass ich in Mathe & Physik eine Niete war, ist nicht schlimm gewesen. Jeder hat eben seine Talente. Und meine Eltern sind großartig, was das angeht.
Sie förderten meine Kreativität und übrigens auch mein großes Interesse für Biologie mit allem, was ihre damaligen finanziellen Mittel zuließen und zwangen mich nie, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, auf die ich keinen Bock hatte. Ich bekam ein Mikroskop, begann zu schreiben, bastelte, was das Zeug hielt. Hätte ich keine Blutphobie, wäre ich wohl Ärztin geworden, aber so lebe ich nun eben meine Kreativität als Profession aus.
Asperger war wie auf mich zugeschnitten
- Sarkasmus verstehe ich einfach nicht.
- Mit dem Ummünzen von Beispielen tu ich mir unheimlich schwer.
- Ich habe Stimming betrieben.
- Ich bin extrem fixiert auf gewisse Interessensbereiche.
- Werde ich berührt, nehme ich das unglaublich heftig wahr, man muss mich immer vorwarnen.
- Ich bin extrem schreckhaft, wenn jemand einfach neben mir steht, schreie ich und habe fast einen Herzinfarkt.
- Asperger-Autisten sind sehr oft hochbegabt oder zumindest hochintelligent.
- Ich bin brühwarm ehrlich und sage immer jedem meine Meinung ins Gesicht.
- Bei meiner Kommunikation geht häufig etwas verloren, Menschen fühlen sich von meinen Worten angegriffen.
- Ich kann kaum Augenkontakt halten.
- Ich bin unglaublich tollpatschig.
- Schlafen ist immer so eine Sache, ich habe seit Jahren Schlafstörungen, die einfach nicht weggehen.
- Ich habe furchterregende Zwangsgedanken.
- Ich rede so schnell, dass ich mich vielen Leuten gegenüber oft wiederholen muss, weil die kein Wort verstanden haben.
Und dennoch bin ich kein Asperger-Autist
Irgendetwas fühlte sich dennoch nicht richtig an. Denn mit weiterlaufender Therapie begann ich plötzlich, meine vermeintlichen Meltdowns kontrollieren zu können. Immerhin wählte ich auch bewusst Gegenstände aus, beispielsweise einen weichen Stressball, den ich durch den Raum geworfen habe, um nichts zu beschädigen. Hier ist übrigens der Punkt, wo ich auf meine zuvor erwähnten Wutanfälle zurückkomme. Autisten haben im Moment der Reizüberflutung keine Kontrolle mehr über ihr Handeln. Aber je mehr ich mich meiner Therapie unterzog, umso mehr Kontrolle bekam ich!
Da stand fest: Ich kann nicht autistisch sein. Aber irgendetwas sorgt dafür, dass ich diese Symptome habe.
Und da rückte mein ursprüngliches Trauma wieder in den Vordergrund.
- Sarkasmus hat mit Empathie zu tun und die kann „geschädigt“ werden, wenn man schwer traumatisiert wird.
- Gleiches gilt für das Ummünzen von Beispielen, das funktioniert dann einfach nicht mehr richtig.
- Stimming betreiben sogar neurotypische Personen. Schonmal Däumchen gedreht?
- Fixe Interessensbereiche geben mir ein Gefühl von Sicherheit. Da mein Trauma mit einem massiven Vertrauensbruch einhergeht, kompensiere ich das damit.
- Die Schreckhaftigkeit hat damit zu tun, dass mein Körper in einer gewissen Alarmbereitschaft ist. Wurde mein Trauma frisch getriggert, bin ich sogar noch schreckhafter als üblich.
- Dass ich in meiner Kommunikation oft falsch verstanden werde, kann einfach mit meiner Art zusammenhängen.
- Augenkontakt bedeutet in psychosozialer Sprache, dass man sich ausliefert. Ich will mich nicht ausliefern.
- Schlafstörungen sind eines der häufigsten Trauma-Symptome.
- Genauso wie Zwangsgedanken.
Je mehr ich mit meinem Arzt also über diese Dinge sprach, umso klarer wurde es, dass ich falsch diagnostiziert wurde.
Ich erhielt im Anschluss eine neue Diagnose, die mich aber genauso bis an mein Lebensende begleiten wird.
Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung.
Gewissermaßen die Steigerung einer akuten Posttraumatischen Belastungsstörung, die dann entsteht, wenn der Betroffene einer Extrembelastung ausgesetzt ist, die das Selbst- und Weltverständnis in umfangreichem Maß erschüttert und schädigt. Ich schätze, an dieser Stelle versteht ihr spätestens, warum ich nicht öffentlich über die Ereignisse spreche, die dazu geführt haben.
Daher zum Beispiel auch die Probleme im Umgang mit Emotionen.
Sie wird ab nächstes Jahr in der ICD-11 enthalten sein und damit zur in der weltweiten Medizin anerkannten psychischen Störung.
In wenigen Fällen kann die kPTBS heilbar sein. Da sie mich aber nun schon wortwörtlich mein halbes Leben lang begleitet, ist davon auszugehen, dass sie chronisch bleibt.
Diese Geschichte soll euch ermutigen
Falschdiagnosen können passieren. Aber sie sollen euch nicht entmutigen, dass ihr dennoch zum Arzt geht, wenn ihr das Gefühl habt, dass irgendetwas nicht stimmt.
Diagnosen helfen uns dabei, uns selbst und unsere Schwierigkeiten besser zu verstehen!