Streitregeln. Klingt doch erstmal blöd, oder? Ich gebe zu, so habe ich auch erstmal gedacht. Vor ein paar Jahren, bevor wir sie dann in unserer Beziehung eingeführt haben. Ich verrate euch auch gerne, warum das so ist.
Mittlerweile sind mein Freund und ich ungefähr seit fast schon neun Jahren in einer Beziehung. Seit acht wohnen wir zusammen. Wir lachen viel, wir lieben uns wie am ersten Tag und leben die absolute Gleichberechtigung, und zwar in jeder Hinsicht.
Aber das war nicht immer so harmonisch.
Was die Gleichberechtigung angeht, das natürlich schon, keine Frage. Aber was hatten wir für heftige Situationen in den ersten zwei, drei Jahren.
Oft waren die bedingt durch meine komplexe PTBS. Dafür reicht ein minimaler Trigger und vorbei ist alles. Meine Wut, die ich leider viel intensiver und ärger empfinde als vor dem Ereignis X, führt leider dazu, dass wir uns im Alltag oft missverstehen. Einer sagt etwas, der andere kriegt’s in den falschen Hals und fertig ist die Situation, in der beide am Ende angefressen sind.
Natürlich haben wir nach neun Jahren eine perfekte Methode entwickelt, um genau so etwas zu lösen und sie ist so simpel, dass es schon fast lachhaft sein könnte: Wir reden einfach drüber.
90 % aller Streitereien kommen zustande, weil es ein Missverständnis gab
Und das ist nicht nur in einer Beziehung mit jemand Traumatisiertem so. Das macht einfach jeder durch, wenn ich mich so in meinem näheren Bekannten- und Freundeskreis umhöre.
Ich erinnere mich noch gut an diesen einen Tag, an dem ich erbost über eines dieser doofen Misstverständnisse über meinen Handybildschirm gescrollt bin. Eigentlich suchte ich nur die Ablenkung, aber plötzlich war da ein Artikel über Streitregeln für die Beziehung. Weil das so perfekt zur Situation passte – es musste einfach eine Fügung des Schicksals sein! – klickte ich natürlich sofort rein. Und alles weitere lag einfach auf der Hand.
Schatz, wir brauchen Streitregeln.
Aber sind Regeln für einen Streit nicht total abgehoben und unnötig?
Ich finde: Nein! Wichtige Dinge müssen geregelt sein. Der Verkehr ist geregelt, das Rechtssystem, warum also nicht auch so etwas wichtiges, wie ein Streitgespräch? Immerhin kann ein solches im schlimmsten Fall über das Ende der Beziehung entscheiden.
Diese 3 Regeln reichen völlig aus
Es sind nur drei Streitregeln, die eine Beziehung braucht, um in geladenen Situationen nicht zum jähen Ende zu finden. Denn wir sind im Streit emotional, oft nicht einmal Herr unserer Gefühle und gerade dann ist die Gefahr zu hoch, den anderen ungewollt zu verletzen.
Ich verrate euch unsere drei Regeln!
1. Niemand verlässt einfach den Raum
Gibt es nicht die absolute Ausnahme (einer muss z.B. auf die Toilette), dann wird der Raum nicht einfach verlassen, solange der Streit andauert.
Der andere wird nicht einfach unkommentiert zurückgelassen, denn das hat viel mit gegenseitiger Wertschätzung zu tun. Und dass fehlende Wertschätzung oft einem emotionalen Missbrauch gleichkommt, könnt ihr hier nachlesen.
2. Es wird nicht im Archiv gekramt
Vergangenes ist passiert und kann nicht mehr geändert werden. Ein Streit ist nicht dazu da, um einander Vorwürfe zu machen, sondern um aus Geschehnissen zu lernen und gemeinsam daran zu wachsen.
Eine Beziehung zu führen bedeutet, Geliebten, besten Freund und Teamkollegen in einer Person gefunden zu haben.
Außerdem: Warum sollte man im aktuellen Streit nochmal etwas hervorholen, das in einem anderen Streitgespräch erfolgreich geklärt wurde?
3. Gesagtes erhält keine Wertung
Es gibt Menschen wie mich, die ihr Organ manchmal einfach nicht unter Kontrolle haben und dann unbewusst lauter werden. Hier hilft es aus, einfach sachlich darauf hinzuweisen. Ist aber eine Situation eingetreten, die einen der beiden so stark auflädt, dass er nicht mehr sachlich klingen kann, dann ist darauf Rücksicht zu nehmen.
Vielleicht hilft es ja, einander fünf Minuten Zeit zu geben, um sich abzukühlen?
Am wichtigsten ist auf jeden Fall, dass dem Gesagten keine Wertung zugeordnet wird. Zuhören ist nun das wichtigste.
Nicht jeder ist immer eloquent und beherrscht, aber unterm Strich ist es wesentlich, was genau den Menschen verletzt hat und was ihm wichtig ist.